Donnerstag, 10. April 2014

Hier so bei mir in der Umgebung...


Neulich war ich schon einmal hier und habe davon erzählt. Bei der Vorbereitung eines Abend- und eines Morgenspaziergangs hatte ich diesen schönen Platz an der Schmölde nach mehreren längeren Wanderungen noch einmal ganz neu und von einer anderen Seite entdeckt, mit all seiner Langsamkeit und Stille. Jedenfalls jetzt noch ist es dort gemächlich und still. Mal schauen, wie es im Sommer wird, wenn der Campingplatz ein Stück weiter oben wieder im Saisonbetrieb ist und viele Motorboote wieder fahren. Am Sonntagnachmittag, nach sehr intensiven Arbeitstagen waren wir wieder einmal dort, diesmal mit dem Rad, für eine bewegt-entspannende gute Stunde. Da kam ich in der sanften Abendsonne auf den Gedanken, mir am nächsten Morgen vor der "Heimbüro-Arbeit" doch wieder einmal einen Sonnenaufgang zu schenken und wanderte am Montagmorgen sehr früh, im Dunkel noch, los, doch die Sonne sollte sich hinter grauen Wolken dann doch nicht hervorwagen. Den Tagesanbruch ganz bewusst zu erleben, nur da zu sein, um den neuen Tag dankbar und erwartungsfroh zu begrüßen, war wieder einmal ganz besonders schön. Es bleibt einfach faszinierend, wenn das Licht heraufzieht und die vorher im "Nacht-sind-alle-Katzen-Grau" verschwundenen Farben ganz langsam wieder sichtbar werden. Je heller die Dämmerung wurde, desto mehr Vögel sangen, und nachdem ich es mir an meinem Sitzplatz am Ufer gemütlich gemacht hatte und jeder Vogel eingesehen hatte, dass ich wohl hier für eine Weile dazu gehöre, wob sich ein Klangteppich ohnegleichen um mich herum. Gelegentlich akzentuiert von streitsüchtig schimpfenden Gänsepaaren, vorlaut schnatternden Enten, manchmal untermalt vom je nach Verkehrslage leiseren oder stärkeren Morgen-Brummen der Bundesstraßen hinterm Wald, unterbrochen von einem seltsamen Boot mit lautem und sich hörbar quälendem Außenbordmotor. Von ferne erklangen die Morgenglocken der Prieroser Kirche, aus dem Dorf, in dem ich seit 50 Jahren "zu Hause bin", seit 30 Jahren auch "fest" wohne, auf der anderen Seite des Wassers, an dem ich an diesem Morgen saß, und zwei drei km weiter flussabwärts. Nicht mittendrin im Dorf wohne ich, eher am Rand, am Waldrand, und ich finde es sehr gut so. Verbundenheit ja, doch gerne selbstbestimmt und zwanglos "an der langen Leine". An der Schmölde waren wir früher schon wandern, als wir selber Kinder waren, mit den Eltern an der Steilküste zur Dubrow, damals gab es dort noch Reiherhorste, später mit den eigenen Kindern. Paddelnd vom Wasser aus oder zu Fuß. Vertrautes also und doch verändert, wie es in der Natur eben so ist, mit ihrem Kreislauf von Wachsen, Werden und Vergehen. Eine Zeitlang hatten die Spuren menschlicher Wasserwander- und Ausflugstätigkeit so überhand genommen, dass wir das Gebiet gemieden haben. Doch nun, nachdem sich seit 25 Jahren hunderte anderer Urlaubsmöglichkeiten erschlossen haben, ist der Druck auf die Gegend nicht mehr so intensiv, und außerhalb des Sommers ist man dort oft ganz allein unterwegs. Wie ich. Allein mit dem singenden Leben um mich her, mit sanfter Brise, dem hochtönenden Schwirrgeräusch der Schellenten beim Flug, dem Platschen eines weiß aufleuchtenden Riesenfischs, mit ein paar Nieselregentropfen, ganz in Ruhe. Mit mir im Reinen, in meiner Mitte.

Noch ziemlich dunkel. Mit 2 sec. Belichtungszeit aufgenommen...

Um den einsetzenden Regen sichtbar zu machen, habe ich das Blitzlicht eingesetzt. Aber der Regen war sanft, die Morgentemperatur ausgesprochen mild.
Irgendwo muss die sonnige Morgenröte ein Schlupfloch in der Wolkendecke gefunden haben, das am Himmel aufscheinende Morgenlicht spiegelt sich für wenige Minuten sanft rötlich im Wasser.
Stilles Wasser rundum, nur die Vögel singen, manchmal springt ein Fisch - und ein grauer Dunststreifen liegt am anderen Ufer.
Noch mal Nieselregentropfen...
Heller wird der Morgen diesmal nicht, der Regen hört auf, das Wasser wieder fast glatt, doch hinten kommt etwas Wind auf. Ich wandere nach Hause, erfrischt und froh, an den Frühstücks- und den Arbeitstisch... Dort, zu Hause, liegt das Buch, das ich hier schon einmal erwähnt hatte, auf dem Tisch. Ich schlage es auf und lese: "Dort in der Morgendämmerung kannst du die Stille spüren. Sie ist kühl und klar und tief wie Wasser. Sie erfasst dich und lässt dich nicht mehr los." (N. Scott Momaday, *1934)

Short stories bei Bine und Andrea, in diesem Monat zum Thema: Umgebung


Mittwochs im Mittelpunkt bei Éva.

10 Kommentare:

  1. Was für ein wunderbar weite Sicht - auf solch sinnlichen Freiheiten freue ich mich schon nach der jetzt doch noch dominanten Familienzeit. Das `Hören´ aber erinnert mich an frühe Morgende in Schottland, noch eingemummt im Schlafsack im Zelt liegend.
    Danke für diese frühe blaue Stunde, Birgit

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  2. ...deine Bilder strahlen Ruhe und Einsamkeit (positiv) aus, liebe Ghislana,
    und deine Worte berühren...gut kann ich mir vorstellen, wie die Vögel dich begleiten und der Wind das Wasser bewegt...

    "Den Tagesanbruch ganz bewusst zu erleben, nur da zu sein, um den neuen Tag dankbar und erwartungsfroh zu begrüßen" das hat mich ganz besonders angesprochen, muss ein tolles Gefühl sein...müsste einfach auch mal aufstehen und los gehen...


    bei Lotta las ich gerade, dass du für die Monatscollage sammelst...mich hat das auch nicht los gelassen und ich habe deshalb ein neues Projekt gestartet hier klick...vielleicht hast du Lust, dabei zu sein? ich würde mich freuen...

    lieber Gruß Birgitt

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  3. Ghislana, wenn ich deine Bilder sehe, hasse ich es ( für Sekunden ) in der Großstadt zu leben. Was mir entgeht...
    LG
    Astrid

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  4. So wunderbar in Text und Bild beschrieben, dass ich das Gefühl habe, es selbst erlebt zu haben.
    Danke dafür und ganz herzliche Grüße
    Christine

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  5. Wie wunderschön!!!! Ich liebe diese Stimmungen!
    Liebe Grüße vom See
    Andrea

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  6. Ich bekomme große Lust, gaaaanz früh aufzustehen und in den Wald zu wandern... mit dem kleinen Mädchen... Ich kann die Vögel hören. Und die Stille. Wunderbar. Liebste Grüße, Marja

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  7. soooooo schön, die wundervollen stimmungen an DEINEM see. beim betrachten der Bilder wird man sofort......gaaaaanz ruhig. genau richtig zum feierabend.
    viele liebe grüße
    mickey

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  8. So ganz bewußt den Tagesanbruch zu erleben...eine schöne Idee. Wir erleben den Tagesanbruch immer sehr intensiv beim Osterfeuer...an jedem Ostersonntag...zur Morgendämmerung...Tolle Bilder! LG Lotta.

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  9. liebe ghislana, dein bericht und deine bilder sind so wunderschön, dass mir die tränen in die augen kamen. nicht vor rührung, sondern vor freude, dass du diese momente erlebt hast. mir kam dabei eine erinnerung in den kopf, als ich vor vielen jahren auf spiekeroog in der morgendämmerung auf eine aussichtsdüne kletterte und ähnliche augenblicke spüren konnte. unvergesslich!
    herzliche grüße, mano

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Ich freue mich sehr über eure Gedanken.
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